Gefangen in einem Albtraum

05.09.2016

Chen Qiaqian ist 25 und hat Leukämie. Seit ihrer Erkrankung ist sie arbeitsunfähig und auf die finanzielle Hilfe ihres Umfeldes angewiesen – ausgerechnet sie, die fast ununterbrochen arbeitete, um die Familie unterstützen zu können.

«Jeden Morgen um acht Uhr begann ich zu arbeiten. Ich stand am Fliessband mit vielen anderen. Unser Job war es, Smartphone-Prozessoren mit Lösungsmitteln zu reinigen. Ich verliess das Fliessband nur, um auf die Toilette zu gehen oder kurz etwas zu essen. Der Raum, in dem wir arbeiteten, hatte weder Lüftung noch Fenster.

Der Geruch war schrecklich und es war schwierig, sich daran zu gewöhnen. Am Anfang zeigte uns ein Vorgesetzter, wie wir die Chemikalien von der grossen Flasche in die kleine Flasche füllen müssen. Und wir erhielten Handschuhe und Mundschutz aus Papier.

Dass die Chemikalien hochgiftig sind, hat uns niemand gesagt. Abends arbeitete ich meist bis elf Uhr, an sieben Tagen pro Woche. Einmal pro Monat erhielt ich einen Tag frei. Ich wollte so viel Geld wie möglich verdienen, um meine Familie zu unterstützen. Meine Eltern haben so hart gearbeitet, um meinem Bruder und mir eine Ausbildung zu ermöglichen. Ich wollte ihnen etwas zurückgeben.

Nach fünf Jahren fühlte ich mich plötzlich krank und schwach. Ich konnte kaum noch gehen. Als der Arzt Leukämie diagnostizierte, dachte ich an Selbstmord. Ich wollte nicht wieder eine Bürde sein für meine Familie. Seit ich Leukämie habe, kann ich nicht mehr arbeiten. Um Entschädigungszahlungen zu erhalten, hätte ich eine Arbeitsbestätigung der Firma gebraucht. Aber ich war zu schwach, um hinzugehen und diese einzufordern.

Meine Ersparnisse sind längst aufgebraucht. Jetzt lebe ich vom Lohn meines jüngeren Bruders und von Geld, das mir Freunde geliehen haben. Ich habe keine Ahnung, wie ich die nächste Behandlung bezahlen soll. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Tag in Shenzhen erinnern. Ich war überwältigt von all den Lichtern der Stadt. Es war immer mein Traum, von meinem kleinen Dorf wegzukommen und etwas von der Welt zu sehen. Nun bin ich gefangen in einem Albtraum.»