Nepal: Teppichknüpferinnen ohne Arbeit

28.05.2020
Yvan Maillard Ardenti

Yvan Maillard Ardenti arbeitet bei HEKS als Fachperson für Unternehmen und Menschenrechte. Vor ein paar Jahren hatte er Gelegenheit, Teppichknüpferinnen und -knüpfer in Kathmandu in Nepal zu besuchen. Damals konnte er feststellen, wie die Teppichherstellung vielen Menschen ein Einkommen ermöglicht, mit dem sie gleichzeitig ihr kulturelles Erbe erhalten. Doch wie viele andere Wirtschaftszweige, wurde auch die Teppichproduktion seit März durch das Coronavirus weitgehend lahmgelegt. Ein Bericht.

Die Bestellungen für Teppiche gingen stark zurück, weil die Verkaufsläden in der Schweiz, in Europa und den USA, welche die Ware von den Teppichhändlern beziehen, schliessen mussten.

Für die Teppichknüpferinnen und -knüpfer hat dies gravierende Konsequenzen. Weil sie pro Stück bezahlt werden, verlieren sie ihr Einkommen, wenn keine Aufträge mehr hereinkommen. Ihre Löhne sind oft äusserst bescheiden und erlauben ihnen nicht, für schwierige Zeiten zu sparen. In Nepal sind viele von ihnen Wanderarbeiter aus abgelegenen Regionen des Landes. «Wegen des von der Regierung verordneten rigiden Lockdowns konnten sie nicht zurück in ihre Dörfer und sind aktuell von ihren Familien und sozialen Netzwerken abgeschnitten», sagt Prasuna Saakha. Sie führt das Koordinationsbüro von Label STEP in Nepal.

Die in der Schweiz basierte Organisation Label STEP engagiert sich seit 25 Jahren für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen in der Teppichbranche. Dazu gehören etwa der Kampf gegen Kinderarbeit sowie für existenzsichernde Löhne. HEKS und Fastenaktion sind Gründungsmitglieder von Label STEP und unterstützen die Organisation bis heute. 

«Wie eine grosse Familie»

In den Produktionsländern verfügt Label STEP über ein dichtes Netzwerk von lokalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Durch die regelmässigen Kontrollen, Workshops und Schulungen geniessen sie das Vertrauen der Knüpferinnen und Knüpfer. «Wir sind wie eine grosse Familie», sagt Tanveer Jahan, Landesverantwortliche von STEP für Pakistan. «Wir können unsere Knüpferinnen und Knüpfer in dieser Situation jetzt nicht im Stich lassen.» Sie seien das Rückgrat der Teppichindustrie – und aktuell auf die Solidarität der gesamten Branche und darüber hinaus angewiesen.

Anfang Mai haben HEKS und Label STEP gemeinsam einen Nothilfefonds für die Teppichknüpferinnen und -knüpfer lanciert. Damit können wir Tausende von Menschen in Afghanistan, Indien, Nepal, Pakistan und im Iran unterstützen, die von keinem anderen Hilfsprojekt erreicht werden.

Bereits in der ersten Phase der Pandemie hat Label STEP eine Sensibilisierungskampagne gestartet, die Knüpferinnen über COVID-19 informiert und sie in den wichtigsten Präventionsmassnahmen unterrichtet. Aktuell konzentrieren sich die Aktivitäten auf das Verteilen von Nothilfe. Hier eine Zusammenfassung von Aktionen in verschiedenen Ländern:

  • In Nepal erhielten 1500 Knüpferinnen – vor allem Frauen – Grundnahrungsmittel wie Reis und Oel. Damit werden indirekt rund 6000 Menschen unterstützt. Es handelt sich dabei vor allem um Knüpferinnen und Knüpfer, die kein eigenes Land zum Bebauen besitzen und nicht nachhause zurückkehren können, um selber Nahrungsmittel anzubauen.
  • In Afghanistan ist die Situation besonders prekär. Die Knüpferinnen erhielten schon vor der Coronakrise für ihre Arbeit keinen existenzsichernden Lohn, von dem sie sich einen Notbatzen hätten auf die Seite legen können. Deshalb standen sie sehr schnell am Abgrund. In einer ersten Phase erhielten 600 Knüpferinnen Notrationen an Grundnahrungsmitteln, mit denen sie ihre Familien (rund 4800 Personen) während 14 Tagen ernähren konnten.
  • In Pakistan hat die Unterstützung der afghanischen Flüchtlinge Priorität, die in Lagern leben, wo Wasser und Seife rar sind. Auch ethnische Minoritäten und alleinerziehende Frauen erhalten Unterstützung.
  • In Indien fokussiert die Hilfe auf Wanderarbeiterinnen und -arbeiter. Dank einem gut verankerten Netzwerk kann STEP rund 200 von ihnen mit Hilfsmaterial versorgen.

«Die Bedürfnisse sind enorm», fasst Tanveer Jahan die aktuelle Situation der Teppichknüpferinnen zusammen. «Um die Bedürftigsten zu erreichen, sammeln wir weiterhin Informationen und Daten – und hoffen, möglichst viele, die darauf angewiesen sind, mit dem Notwendigsten versorgen zu können.» Genau dafür wurde der Nothilfefonds lanciert.

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