Dieser Artikel stammt aus dem aktuellen Dossier zum Thema Land Grabbing. Sie finden dieses auf www.sehen-und-handeln.ch/publikationen.
Westkalimantan, Indonesien. Wir stehen in Sungai Utik am Oberlauf des Flusses Kapuas vor einem Dayak-Langhaus: Das über 60-jährige Haus steht auf Pfählen, ist 180 m lang und aus wunderschönem Holz gebaut. Vor dem Haus bietet eine gleich lange Terrasse Platz für Alltagsarbeiten, dahinter befindet sich der gedeckte Begegnungsraum. Er macht die halbe Fläche des Langhauses aus. Auf der anderen Seite befinden sich 28 Türen, hinter denen die Wohnungen der Grossfamilien liegen. Es gibt Strom, fliessendes Wasser, Fernsehen. Am Abend führt eine junge Frau im Begegnungsraum Frauen und Kinder in die englische Sprache ein. Anderswo diskutieren Frauen und Männer über das sich verändernde Wetter und den Reisanbau, während eine alte Frau mittendrin eine Rattan-Matte flicht.
Im Kosmos aufgehoben
Die Iban, eines der indigenen Dayak-Völker der Insel, pflegen ihre traditionelle Lebensweise und sind aufgehoben in ihrem Kosmos. Er baut auf einem Leben in Harmonie mit der Natur. Traditionelle Sitten und Regeln sorgen dafür, dass der Wald erhalten bleibt und die Trockenreisfelder nach bestimmten Riten vorbereitet, bepflanzt und geerntet werden. Das Hochhalten ihrer kulturellen Werte hilft der Bevölkerung von Sungai Utik, den aggressiven Palmölfirmen zu widerstehen. Das Symbol des Iban-Kosmos, eine Art Blume, ist denn auch überall präsent: Die Männer haben es sich auf die Arme tätowiert und neben einer Tür im Langhaus hängt die Interpretation des Symbols, damit bereits die Kinder mit der Bedeutung vertraut werden.
Wir besuchen Grossvater Abay Janggut. Er ist der Herr des Langhauses und eine zentrale Figur im Widerstand gegen die rasant fortschreitende Landnahme durch Palmölfirmen. «Die Erde ist unsere Mutter, der Wald unser Blut und unser Atem», erklärt Abay Janggut. «Die Ölpalmplantagen zerstören unsere Umwelt. Wie sollen wir denn in Zukunft leben?» Der 87-Jährige, der noch vor der Staatsgründung Indonesiens geboren wurde, hat immer in dieser Waldumgebung gelebt. «Ich habe gesehen, wie sich die Welt verändert hat. Heute ist es fast unmöglich, frisches Wasser zu finden, die Trockenreisfelder zu bearbeiten und noch Jagdgründe zu finden», sagt er.
Widerstand gegen Plantagen
Im Kampf gegen die Plantagen inspiriert der ehemalige Chef über die indigenen Bräuche Abay Janggut die ganze Gegend bis über die Grenze nach Malaysia. «Wenn du die Einwilligung zur Abgabe deines Landes unterzeichnest, tötest du dich selbst, denn du verlierst dein Land für immer. Möchtest du es behalten, solltest du es bepflanzen, um es vor den Unternehmen zu schützen», sagt Abay Janggut. Er ist davon überzeugt: Ohne Land verlieren die Dayak ihre Identität. Sungai Utik besitzt eine Landfläche von 9500 Hektar, zwei Drittel davon sind Urwald, der wie die Felder als wichtige Nahrungsquelle dient. Das Dorf konnte sich bisher erfolgreich gegen die Plantagenfirmen wehren. Die Menschen in den umliegenden Dörfern hingegen sind weniger geeint. Droht ihnen dasselbe Schicksal wie Hunderten anderen Indigenen-Dörfern in Kalimantan, die ihr Land und ihre Wälder an die Palmölfirmen verloren haben? Können sie deren verlockenden, meist leeren Versprechungen widerstehen?
Von der Regierung gestützt
Allein in der Provinz Westkalimantan besitzen 411 Palmölfirmen Anbaubewilligungen für über 5,5 Mio. Hektar Land. Dies entspricht 38 Prozent der gesamten Landfläche. In ganz Kalimantan besitzen die Konzerne Anbaubewilligungen über 15 Mio. Hektar. Geht es nach der Regierung, sollen in Indonesien bis 2020 mehr als 22 Mio. Hektar Land mit Ölpalmen bepflanzt sein. Das sind knapp 12 Prozent des teilweise sehr dicht besiedelten Landes. Anton Widjaya, Direktor von Walhi, Partnerorganisation von HEKS, sagt: «Wir sind die einzige Organisation in der Region, die Umweltthemen, Diskriminierung und Missachtung der Menschenrechte, aber auch das Ausbleiben einer nachhaltigen Entwicklungspolitik seitens der Regierung anspricht. Land und Umwelt werden zerstört und Gemeinden, die noch Land besitzen, bedroht und im Namen der Entwicklung marginalisiert.» Mit Kampagnen und anwaltschaftlicher Arbeit macht Walhi die Plantagenindustrie, den Bergbau und die Abholzung zum Thema. Und die Organisation unterstützt betroffene Gemeinden im Kampf für ihr Land. Die Gelder für die lukrative Palm- ölindustrie stammen von Investoren rund um den Globus.
Schweizer Banken involviert
Auch Schweizer Banken haben Kredite und Finanzdienstleistungen an Konzerne gewährt, deren Tochterfirmen sich entgegen allen internationalen Standards Land für Plantagen aneigneten und den Wald zerstörten. So beteiligte sich etwa die Credit Suisse an der Aktien-Emission der indonesischen DSN-Gruppe, deren Tochtergesellschaften Rimba Utara und Mandiri Agrotama Lestari Sungai Utik und die umliegenden Gemeinden bedrängen.
In Ulak Pauk, einem Nachbardorf von Sungai Utik hat eine Gruppe von jungen Bewohnern ein Manifest gegen die Plantagen verfasst. Deren Leiter Marselus Alek erklärt; «Wir sind gegen die Ölpalmplantagen, weil wir sehen, wie unfair sich Rimba Utara benimmt. Sie kamen in unser Dorf ohne uns zu informieren, suchten nie unsere Zustimmung. Wir glauben, dass sie sich unser Land ohne Erlaubnis aneignen werden, denn unser Dorf liegt mitten in der geplanten Plantage», sagt er aufgebracht. «Sie stehlen uns unser Land.» Deshalb haben sich die Jungen, die Dorfchefs und die Adat-Vertreter zusammengetan, um gemeinsam gegen die Palmölfirmen zu kämpfen.